Donnerstag, 27. März 2014

La mudanza

Im November, zwei Wochen, nachdem ich angekommen war, teilte man mir mit, dass die Redaktion mit allem drum und dran in wenigen Monaten umziehen würde. Ich war erstmal wenig begeistert, weil das der fünfte kleinere Umzug in einem Jahr werden sollte (Mülheim - Bochum - Nettetal - Benissa - Villajoyosa).
Mittlerweile ist nicht nur die Redaktion ist umgezogen, sondern auch ich. Vorher hatte ich eine kleine Wohnung über der Redaktion. Diese bestand aus einem Wohnzimmer, welches gleichzeitig die Küche und auch das Schlafzimmer für Praktikant Nr. 2 gewesen wäre, sofern es einen gegeben hätte. Die Küche reichte völlig für eine Singlewohnung aus, es gab zwei Tische und ein Sofa, außerdem einen Fernseher, der auf einem kleinen Schränkchen stand. Durch dieses Zimmer kam man außerdem auf einen kleinen Balkon, der nicht mehr Platz hergab, als für eine Einzelperson zum betreten und wenden nötig wäre, die Sicht nach vorne war auch nicht gerade spektakulär, man konnte der Nachbarin beim Rauchen zusehen, nach links konnte man in eine Straße blicken und gucken, ob das Auto noch da war, aber nach links schaute man auf die Ortskirche La Purissima Xiqueta, die, wie es früher überall üblich war, jede Viertelstunde schlug. 







Trat man in das andere Zimmer ein, stellte man für gewöhnlich erstmal die karge Ausstattung fest: Ein französisches Bett und ein Nachttischchen, vielleicht noch ein Stuhl, als Ablage. Links kam man durch einen „Flur“(war nicht wirklich einer), dessen Wand aus einem riesigen Kleiderschrank bestand, zum Badezimmer. Wichtig für alle Vertreter des Auch-bei-plus-20-Grad-Dauerfröstelns (als deren Vorsitzende ich mich quasi zähle): Das Bad hatte eine Badewanne!!!

 

Por la esperiencia

Man kann also sagen, dass die Wohnung ganz okay war. Irgendwie war sie aber absolut nicht meins. Man hatte nicht viel Stauraum und es war super schwer, ansatzweise Ordnung zu halten. Und das gerade für jemanden wie mich, die ich sowieso nicht gerade die Ordnungsfanatikerin Nummer 1 bin. Normalerweise geht das bei mir klar, weil ich eigentlich nur Chaos hinterlasse, wenn ich spät dran bin- ansonsten halte ich gerne Ordnung. Blöd nur, dass ich hier immer auf´m Sprung bin, weil die Arbeit von neun bis sechs geht und ich allgemein viiiiiel weniger Zeit habe, als je zuvor (darüber schrieb ich ja bereits hier ein bisschen). Ich bin kein Workaholic, obwohl es viel zu tun gibt, aber ich genieße, was ich hier tue, wenn auch nur auf Zeit und wenn auch nur als Praktikant und obwohl ich weiß, dass dies nicht mein Beruf werden soll, aber es ist eine bewusste Entscheidung, der Erfahrung wegen. Das war mir persönlich sehr wichtig. Es nimmt mir außerdem eine der größten Ängste: Nicht zu wissen, was es heißt, „zu arbeiten“. Ein ständiger Vorwurf an Studenten, und ich weiß auch, woher der rührt. Aber zu den vielen Erfahrungen, die ich hier mache, wächst so langsam eine Grundhaltung, dass das, was „die anderen sagen“ immer mehr an Bedeutung verliert, und so auch dieser Vorwurf (das ist ganz witzig, nicht? Es nimmt mir die Angst nicht, weil ich arbeite, sondern weil ich durch das ganze Hier-Sein mehr Fokus auf das Wesentliche bekomme). Es ist ein Reifungsprozess, den ich viel früher schon gebraucht hätte. Gottseidank habe ich bisher trotzdem immer alles richtig gemacht, vielleicht hätte ich etwas schneller sein können, aber gut. (Dass ich allerdings so wenig zum schreiben komme, macht mir schon ein bisschen Sorgen, denn der Blog hier soll mir auch eine Erinnerungsstütze sein. Aber es passiert ja auch immer noch mal so viel.)

Mein Umzug hierhin blieb lange Zeit nur theoretisch und ich wurde bis zuletzt im Unklaren gelassen, wie was abläuft. Ich solle mich nur „nicht darum kümmern“, und gut war. Hatte ich bereits Anfang Januar mit einem Umzug gerechnet (und deswegen sogar meine Schwester gebeten, ihren Besuch zu verschieben, den sie dann letztenendes deswegen absagen musste), zog ich schließlich anderhalb Monate später um, was mich in der Zwischenzeit ziemlich wütend machen konnte. Gleichzeitig war ich etwas traurig, Benissa zu verlassen: Wie würde ich ohne die verschrobenen Blicke all jener auskommen, die mir jeden Tag in den Straßen und Geschäften entgegenkamen und mich nicht zurückgrüßten? ;) Nein ehrlich: Es gab auch Ausnahmen, aber allgemein blicke ich auf Benissa zurück als ein ziemlich Fremde-isolierendes Kaff (Frustrationsschwelle war schon erreicht,bevor es schlimmer wurde). Allerdings hatte ich mich hier schon eingelebt und war mir nicht sicher, ob dieser Umzug dieses Gefühl wieder zerstören und mich in ein neues, kaltes Wasser schmeißen würde, oder ob ich es eher als Chance verstehen sollte.

Blick von der Dachterrasse

Was ich an Benissa vermisse, sind das Glockenläuten,  die Nähe zu Calpe und Moraira (unsere Lieblingsurlaubsorte), die bergige Gegend, mein Portemonnaie, die Dachterrasse, das Fitnessstudio, die Erreichbarkeit von allem zu Fuß, vor allem die zu meiner Kollegin und Freundin Leonie..
Was ich nicht vermisse, sind die Benissaner(?), das Exit (die Dordisko), die Wohnung, der Code & Alarm vom Gebäude, die Unruhe in dem Haus und auf den Straßen, den schlecht gelaunten Zeitungsverkäufer, die stöhnenden Männer im Fitnessstudio.

 
Kreuz auf Verkehrsinsel, das aussieht, wie Keksröllchen
La Purissima beim San-Antonio-Fest


Von Nettetal nach Villajoyosa (übersetzt: Nettes Dorf)

 Der Umzug jedenfalls verlief gut. Ich hab mich gefreut auf das etwas näher-an-allem gelegene Leben in dieser Stadt, die ich bisher nur zweimal vielleicht im Urlaub besucht hatte. Sie liegt direkt an der Küste, hat eine Schokoladenfabrik (inklusive Museum), eine Markthalle, die täglich öffnet und liegt zwischen Benidorm (Tourismushochburg) und Alicante (nächste Großstadt der Gegend). Außerdem blickt sie auf eine lange Geschichte zurück, unter anderem die Römer siedelten schon  hier. Als Wahrzeichen der Stadt gelten die bunt bemalten Häuser, die hier stehen und beinahe jede Postkarte zieren. In Villajoyosa hat der Tourismus noch nicht so stark zugeschlagen. Riesige Hotelbauten gibt es nur in Richtung Benidorm. Ansonsten spielt sich das Leben im Stadtkern rund um die Altstadt ab. Ist Spanien das Land mit der größten Liebe zu Einbahnstraßen, ist Villajoyosa sozusagen dessen Hauptstadt. Ein kleines Manko für Leute, Ausländer, deren jegliche Lizenz und Fahrzeugpapiere abhanden gekommen sind (ähem!), denn oftmals hast du in dieser Gegend nur die Wahl zwischen einer Schlagschluchten (nicht zu verwechseln mit Schlaglöchern!) durchzogenen Landstraße, die in unbekannter Länge ins Nichts führt und einem amateurhaften Rückwärtsfahrmanöver, die ganze Zeit im Kopf, dass bitte keine Polizei- oder noch schlimmer: die Guardia Civil- auftauchen möge.

Wenige Tage vor dem Umzug wurde mir dann schließlich die Wohnung gezeigt, und aller Ärger war verflogen: Groß, geräumig, mit einer Hammer-Aussicht, fünf Minuten zu Fuß zum Strand, Poolanlage im Garten, zehn Minuten mit dem Auto zur Arbeit. Das Haus heißt nicht umsonst „Residencia Los Olivos“: Es steht zwar in einem Neubaugebiet, aber die Wohnungen rund herum sind echt nicht von schlechten Eltern und sind dementsprechend teuer. Also wohnen hier viele Residenten, zumeist Engländer oder die Wohnungen stehen leer, weil die Besitzer nur im Sommer hier sind. Das ist natürlich schade für das Stadtbild (wobei der Stadtteil „El Paraiso“ eher außerhalb liegt), andererseits gut für mich, so kann ich die Ruhe genießen. Direkt am ersten Tag bin ich in der Gegend spazieren gewesen und hatte wieder einen „Dafür machst du das“-Tage. Denn gegenüber kommt man über einen kleinen Hügel, auf dem eine Ruine steht, an eine durch Felsen von der Zivilisation getrennte Steinküste, die von Pinien überzogen und wunderbar zum Spazierengehen ist. Ich bin auf Bäume geklettert und lag wie ein Salamander auf einem Stein am Meer in der Sonne. Es war einfach herrlich. 


Und dann Wurde ich in der ersten Woche direkt krank. Ich lag für vier Tage flach und meine besten Freunde waren die Teekanne, meine Wärmflasche und das Hörbuch „Das Silmarillion“ (wovon ich bereits hier ein bisschen berichtete). Das war neu für mich: Alleine wohnen und krank werden, niemand in erreichbarer Nähe, der mich umsorgen könnte. Meine Freunde und Familie fehlten mir unendlich und jede nach-5-Minuten-immernoch-unbeantwortete Nachricht wurde zum handfesten Beweis für mich, dass ich daheim schon abgeschrieben war. Wenn ich krank bin neige ich zu Übertreibungen, wie man vielleicht merkt (aber nur dann! :D .. Ich tat mir schon ziemlich leid).

Hasta Luego!



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